Vitamin E ist ein fettlösliches Vitamin und kann vom Körper des Pferdes nicht selbst hergestellt werden, muss also in ausreichender Menge über das Futter aufgenommen werden. Vitamin E wird in vielen Organen gespeichert, vor allem in der Leber, im Fettgewebe und in der Muskulatur. Es gibt 8 verschiedene, natürlich vorkommende Verbindungen von Vitamin E. Die am häufigsten vorkommende und wirksamste Verbindung ist alpha-Tocopherol. Vitamin E ist auch als „Zellschutzvitamin“ bekannt, da es die Zellen vor oxidativem Stress durch freie Radikale schützt.
Was sind freie Radikale?
Freie Radikale sind unvollständige Moleküle, die instabil sind, weil sie ein freies Elektron besitzen. Moleküle sind chemisch stabil, wenn ihre Elektronen paarweise vorkommen und somit ein Gleichgewicht bilden. Freie Radikale sind sehr instabil und reagieren leicht mit benachbarten Molekülen, indem sie von diesen Molekülen ein Elektron für sich beanspruchen. Dabei wird das Molekül, das ein Elektron verliert, beschädigt. Das Molekül, welches ein Elektron verloren hat, wird dabei selbst zum freien Radikal. Somit entsteht eine Kettenreaktion mit einer Reihe von zellschädigenden Prozessen.
Wie entstehen freie Radikale?
Wenn auf zellulärer Ebene Sauerstoff zur Energieproduktion herangezogen wird, entstehen als Nebenprodukte freie Radikale. Sport, Stress und Krankheiten erhöhen die sauerstoffabhängigen Reaktionen und steigern so die Anzahl der freien Radikale. Auch Entzündungsprozesse oder allergische Reaktionen im Körper erhöhen die Produktion von freien Radikalen erheblich. Ebenso spielen Belastungen durch Umweltgifte (Pestizide, Luft- und Wasserverschmutzung, Strahlung) eine Rolle.
Sogenannte Antioxidantien können mit schädlichen, freien Radikalen eine stabile Verbindung eingehen und sie damit unschädlich machen. Zu den Hauptantioxidantien zählt Vitamin E.
Vitamin E schützt außerdem empfindliche Substanzen wie z.B. Vitamin A oder ungesättigte Fettsäuren vor Oxidation (ranzig werden). Somit steigt der Bedarf an Vitamin E an, wenn größere Mengen von fetthaltigen Futtermitteln zum Einsatz kommen, wie z.B. Leinsamen, Ölgaben, junges Grünfutter oder Kleie. Bei einer Ölzugabe in der Fütterung sollten pro 100 ml Öl zusätzlich 100-200 mg Vitamin E ergänzt werden, um die Lipidperoxidation im Körper zu begrenzen. Bei diesem Vorgang geben Lipide (Fettmoleküle) bei der Degradation (= ein Stoff, der sich in zwei oder mehrere Teile aufteilt) reaktive freie Radikale ab, was bei den Lipiden zur Schädigung der Zellmembran und somit zu Zellschäden führt. Dies führt bei fetthaltigen Lebensmitteln, egal ob tierischer oder pflanzlicher Herkunft, zum Verderben, besser bekannt auch unter dem Begriff „ranzig“ werden.
Wie hoch ist der Bedarf an Vitamin E?
Der Bedarf an Vitamin E ist individuell abhängig je nach Haltungsbedingungen und Leistungsanforderungen des Pferdes und mit einer Grundversorgung von ca. 100 mg/100 kg KM/Tag angegeben. Der Bedarf der tragenden oder laktierenden Stute ist bis um das Doppelte so hoch. Bei Sportpferden oder Pferden mit bestimmten Vorerkrankungen (PSSM, Hufrehe, Herzmuskelschäden, EMS, ECS) kann der Bedarf um das bis zu Vierfachen und mehr ansteigen. Auch Ölzugaben in der Fütterung lassen wie schon zuvor erwähnt den Vitamin E-Bedarf ansteigen. Weiterhin besteht ein Mehrbedarf immer dann, wenn das Pferd vermehrten körperlichen, aber auch mentalen Belastungen ausgesetzt ist, wie z.B. bei Wettkämpfen, intensivem Training, Stress, längere Transporte, Stallwechsel oder Erkrankungen. Auch ist der Bedarf bei allen Krankheiten erhöht, die mit einer Entzündung im Körper einhergehen.
Die Toleranz des Pferdes gegenüber einer Überversorgung mit Vitamin E ist aufgrund seiner geringen Toxizität relativ hoch – Schäden einer Überdosierung sind erst ab einer Menge von >20 mg/kg KM/Tag zu erwarten.
Wie äußert sich ein möglicher Vitamin E-Mangel?
Symptome:
- Leistungsabfall
- Abbau von Muskulatur
- Muskelschwäche
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Herz- und Kreislaufschwäche
- Fruchtbarkeitsstörungen
- Schwaches Immunsystem und erhöhte Infektanfälligkeit
- Gelbfettkrankheit bei Fohlen (Fettgewebe bildet knotige, schmerzhafte Veränderungen)
- Schädigung der Zellmembran à Gewebeschäden
In welchen Futtermitteln kommt Vitamin E vor?
Vitamin E kommt vor allem im Grünfutter (junges Weidegras und ölhaltige Grassamen), Grünmehle, Weizenkeim- und Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, qualitativ hochwertigem Heu (allerdings sinkt der Gehalt mit zunehmender Lagerzeit), Moringa, Traubenkernmehl, Hagebutten und Sanddorn vor.
Die Vitamin E Versorgung des Pferdes ist bei ausreichendem Zugang zur Weide mit reichlich frischem Gras oder mit der Fütterung von Grünfutter meistens gesichert. In der Winterfütterung, oder bei Pferden, die aus bestimmten gesundheitlichen Gründen keinen Zugang zur Weide erhalten sollen (Hufrehe, EMS) oder kaum Gras zur Verfügung steht kommt es rasch zu Einschränkungen der Versorgung.
Wirkung von Vitamin E im Organismus
Ein Mangel an Vitamin E führt zu Störungen der Durchlässigkeit der Zellmembran und zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch und weiterhin zu degenerativen Veränderungen der Muskulatur (Skelett- und Herzmuskulatur), sowie einer Abnahme der Antikörperbildung.
Vitamin E kann die Immunantwort verbessern, indem es die Produktion von Antikörpern anregt. Es ist aktiver Gewebeschutz, fördert die Ausdauer und die Muskelkraft des Pferdes und steigert die Leistungsfähigkeit der Muskelfasern. Weiterhin hat es eine entzündungshemmende Wirkung, indem es die Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen hemmt. Vitamin E wird idealerweise mit Selen, Zink oder Lysin zusammen kombiniert, um die Synergieeffekte der Nährstoffe optimal zu nutzen.
Eine ausreichende Versorgung an Vitamin E ist somit für viele Pferde eine zuverlässige Unterstützung der gesamten Vitalität, Muskulatur, Leber, Haut und Immunität.